Wednesday, February 18, 2009

Smorg's Favorite CD: Kasarova Does German Lieder

'Musik ist eine lebende Kunst', dieses Klischee wird von Sängern oft und gerne wiederholt. Doch obwohl sich viele Vokalisten bemühen, dem Gesungenen auch Leben einzuhauchen, gelingt eine Umsetzung dieses Mottos nur sehr wenigen. Kunstlieder werden üblicherweise so gesungen, als ob es sich um schöne Gemälde handelt, die man nur aus einer gewissen Distanz betrachten und bewundern darf. Gewandtere Liedsänger verwenden dabei die etwas lebendigeren Farben. Wenn Ihnen aber der bulgarisch-schweizerische Mezzosopran Vesselina Kasarova ein Begriff ist, dann wissen Sie, dass der Zugang dieser Vokalistin keinesfalls herkömmlich ist. Ihr eingetragener Beruf lautet zwar Opernsängerin, doch wenn man ihr zuhört, schwindet jegliche Distanz. Ihr Gesang gleicht der Erzählung persönlicher Erlebnisse. Man betrachtet keine Gemälde an der Wand, sondern wird von Kasarova auf einer Reise durch die Szenerien der Bilder begleitet.

Der Vortrag eines jeden Liedes wirkt derart persönlich und vertraut, dass mich diese CD jedes Mal in eine rustikale Blockhütte bei sternenklarer Waldnacht versetzt. Es gibt kaum etwas Gemütlicheres, als sich nach dem Abendessen vor dem prasselnden Kamin auszustrecken und einer weit gereisten Kusine zuzuhören, die voller Begeisterung von ihren vielen Abenteuern erzählt (22 an der Zahl). So viel ich weiß, sind alle Geschichten erfunden, doch das ist mir ganz egal. Ich fühle mich wieder jung, wenn meine Jugenderinnerung an die ersten Erzählungen am Kamin so intensiv zum Leben erweckt wird.

Diese Sängerin hat bei der Darstellung unterschiedlicher Stimmungen wahrlich ein goldenes Händchen. Sie klingt nie als würde sie bewusst phrasieren, um dem Zuhörer eine bestimmte Emotion zu vermitteln. Vielmehr sind ihre eigene Begeisterung, Leidenschaft, Unschuld (oder deren Gegenteil) und Melancholie dermaßen natürlich und ansteckend, dass sie nicht einmal des Deutschen mächtig sein muss, um ihren Geschichten Authentizität zu verleihen.

Im Gegensatz zum Französischen ist ihre Aussprache des Deutschen klar und ohne schlampige Silben. Diese wunderbar ausdrucksstarke Stimme ist für das Singen in dieser Sprache wie geschaffen. Der Klang ist dunkles Burgunderrot, das in allen Lagen ihres erstaunlich großen Stimmumfangs gleichmäßig ertönt. Glanzvolle und gelöste Höhen, sinnlich runde und strukturierte Mitten und an Kirschholz gemahnende, volle Tiefen zeichnen diese Aufnahme aus. Der rauchige Brustton, den sie beim Operngesang oft einsetzt, bleibt hier aus. Der beeindruckend feinfühlige Pianist Friedrich Haider präsentiert sich hier als geübter Komplize, der Frau Kasarovas Fest der Geschichten gekonnt mitträgt. Sowohl musikalisch als auch in punkto Interpretation harmonieren beide perfekt und keiner versucht den anderen in seinen Schatten zu stellen. Von der ansteckend eindringlichen 'Fischerweise' über das beschwörende 'Im Abendrot', das freche 'Der Wanderer an der Mond', das vielschichtige Minidrama 'Von Ewiger Liebe' bis zum jugendlich anmutenden 'Aufträge' das Gute an einer CD im Vergleich zu einem Konzertbesuch sind die vielen Zugaben, die man sich gönnen darf.

Das Album wurde mit viel Gefühl zusammengestellt. Es folgt keinem einheitlichen Thema die Auswahl der Stücke orientiert sich eher nach musikalischen Gesichtspunkten. Keine drei Lieder in Folge haben ein ähnliches Tempo oder Leitmotiv und immer genug Kontrast, um meine Aufmerksamkeit aufrecht zu erhalten und insgesamt den musikalischen Fluss nicht zu stören. Diese CD hat mich in einen solchen Traumzustand versetzt, dass Lied Nr. 22 überraschend früh erklingt. Im Nu vergeht die Zeit, wenn man gut unterhalten wird.


Wenn ich etwas kritisieren darf, dann die Tatsache, dass das Aufnahmemikrofon zu nahe an Frau Kasarova platziert wurde, sodass sie zeitweilig klingt, als würde sie direkt in die Ohren des Zuhörers singen. Die CD wird dadurch keinesfalls ruiniert (ich denke sogar, dass das Hörerlebnis zusätzlich an Intimität gewinnt), doch Zuhörer mit sehr empfindlichem Gehör könnten diese Aufnahmetechnik als störend empfinden.

The English version of my review is available at: Epinions.com

1 comment:

Georg said...

Hallo Smorg,

Kannst Du deutsch oder ist das nur so eine linguistische Fata Morgana.?

Georg